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Schonkost für Magen und Hirn

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Wenn es Ihnen gleich geht wie mir, dann wollen Sie das Jahr nicht in der Küche beginnen. Ich habe ehrlich gesagt in den letzten Wochen vorerst einmal genug gegessen. Alleine die Nährwerte der Weihnachtsgüezi könnten mich locker bis Ende Januar durchbringen.

Heute ist man ja oft versucht, diese Masslosigkeit als ein Zeichen der Zeit zu sehen. Man kenne heute keine Grenzen, aber das Grosi, das wusste noch, was Sparsamkeit ist, behaupten zukunftspessimistische Gegenwartskritiker. Man stellt sich die Grosseltern nie über die Stränge schlagend vor. Doch weit gefehlt! Spätestens nach dem Krieg kannten auch sie die Völlerei. Und ja, was man in der Serie «Mad Men» über die New Yorker Werberszene lernt, gilt auch für unsere Schweizer Ahnen, insbesondere im Weihnachts-Neujahr-Feiermarathon, wie folgende Textpassage auf einem eingeklebten Zeitungsausschnitt im Notizheft meiner Grossmutter zeigt:

«Für arme, willentlich oder unwillentlich überlastete Weihnachtsmägen gibt es nichts Besseres als zwischen die langedehnten Familienschmäuse hin und wieder ein kleines Nachtessen einzuschieben, das lediglich aus einem kleinen, pikanten Gericht und einer Tasse Tee besteht. Nur auf diese Weise sind sie imstande, die Festtage ohne allzu grossen Schaden zu überstehen und am nächsten Tag wieder einigermassen aufnahmefähig zu sein.»

Doch das grosse Problem ist ja, dass man in solchen Momenten gar nicht erst ans Essen denken kann, oder wie im zitierten Artikel weiter steht: «Da die Hausfrauen-Gehirne in diesen Tagen aber ebenso arm und überlastet sein werden, wie die Magen, so habe wir ihnen hier ein paar solche Leckerbissen zusammengesucht, die ein wenig vom Alltäglichen abweichen und
doch nicht schwierig zuzubereiten sind.» Es folgen Rezept für Lachs-Hummer-Eier-Mayonnaise-Häppchen, welche nach meiner Definition alles andere als magenschonend sind.

Ich beginne das Jahr traditionsgemäss mit einer militanten «Lachs-Hummer-Eier-Mayonnaise-Häppchen nein danke!»-Haltung. Stattdessen hab ich etwas weitergeblättert und bin auf einen weiteren Eintrag für Problemtage gestossen, nämich «Ei mit Zitronensaft», welches «für Kranke sehr empfehlenswert» sei, da «leicht verdaulich und appetitanregend.» Passt doch ganz gut für den Jahresanfang!

Man trennt also zwei Eier - wenn es der Restalkohol zulässt, ansonsten geht man nochmals für ein paar Stunden ins Bett und hofft, dass irgendwas geschieht, Weltuntergang zum Beispiel. Die beiden Eigelb werden mit 2 EL Zucker und dem Saft einer halben Zitrone gut verklopft, das Eiweiss wird zu steifem Schnee geschlagen und darunter gezogen. Fertig ist Grossmamis Magenheilung.

Leider konnte der Testversuch nur in homöopathischen Dosen verkostet werden, da das rohe Eigelb schon nach dem dritten Löffel den gesamten Mundraum pelzig-fettig belegt, was weder der kranke noch der gesunde Gaumen schätzt. Leicht verdaulich mag das sein, aber von appetitanregend kann keine Rede sein! Da misch ich doch lieber einen Espresso mit Zitrone und Zucker. Ist zwar nicht magenschonend, weckt aber.

Wie auch immer Sie es beginnen, wir wünschen Ihnen ein gesundes und leckeres neues Jahr!


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